Montag, 29. August 2022

Frank und Frei über die Energiekrise

Als erste Partei im Thurgau haben die Grünliberalen die drohende Energiekrise thematisiert. Sie organisierten im Frauenfelder Rathaus ein Podium mit dem Titel «Energieversorgung: Die Schweiz ist keine Insel» und konnten dazu als Referenten Prof. Christoph Frei (Uni St.Gallen), Michael Frank (Direktor VSE, Branchenverband der Schweizer Stromwirtschaft) und Nationalrätin Barbara Schaffner (Physikerin, GLP/ZH) gewinnen.

In seinem spannenden Impulsreferat zeigte Christoph Frei, wie stark die Schweiz als einer von 194 Staaten in die Globalisierung eingebunden ist und wie diese eine der wichtigsten Grundlagen unseres guten Lebens ist. Indikatoren dafür sind der dramatische Rückgang der Zölle, sowie der internationalen Transport- und Kommunikationskosten. Heute basiert weltweit immer noch 85% des gesamten Energieverbrauchs auf fossilen Brennstoffen (in der Schweiz sind es 75%). Die Schweiz importiert jedes Jahr für rund 10 Milliarden Franken Energie, ein Betrag, der mit den gestiegenen Energiekosten drastisch ansteigen dürfte!

 

Die Energieversorgung wird beeinflusst durch die drei Faktoren Unabhängigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit, wobei nicht alle zusammen erfüllt werden können. In den letzten Jahren haben wir Fortschritte gemacht in der Nachhaltigkeit, eine Entwicklung, welche durch den Angriff auf die Ukraine stark gestört wurde: um die Energieversorgung zu sichern werden Nachhaltigkeits-Fortschritte geopfert (Kohlenstrom etc.). Trotzdem kommt es zu Versorgungsengpässen, welche die Energiepreise stark ansteigen lassen. Da alle Wirtschaftssektoren von der Energieversorgung abhängig sind, kommt es überall zu immensen Preisanstiegen, von denen vor allem die Armen betroffen sind. Eine vollständige Souveränität der Schweiz, wie sie von gewissen Kreisen angestrebt wird, ist illusorisch, ja arrogant. Die Kündigung der Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen mit der EU durch den Bundesrat ohne Einbezug des Parlaments war deshalb unverantwortlich!

 

Der VSE vertritt die rund 400 Schweizer Stromversorger, welche zusammen für rund 90% der Schweizer Stromversorgung zuständig sind. Der Verband betreibt im Auftrag der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes OSTRAL, die Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen. Der Direktor des VSE, Michael Frank, nahm persönlich am Podium teil und sprach Klartext. Eine Kombination von ungünstigen Faktoren (Schneearmer Winter 2021/22, niederschlagsarmer Hitzesommer, Ukraine-Krieg und ausgeschaltete AKW in Frankreich) haben innerhalb kurzer Zeit zu einer Stromverknappung in Europa geführt, was die Preise auf dem freien Markt enorm ansteigen liess: Strom für Q1 auf dem freien Markt kostet erstmals über 1'000 €/MWh, für das ganze Jahr 2023 700 €/MWh, das entspricht einer Verdreifachung seit Juli 2022 oder eine Verdreizehnfachung seit Juli 2021! Dies ist katastrophal für Grossverbraucher, welche ihren Strom auf dem freien Markt beschaffen. Die grundversorgten Kunden sind wegen Terminkäufen ihrer Stromversorger vor solchen Preissprüngen geschützt, doch muss ein Grossteil der Konsumenten sich auf einen Strompreis-Anstieg von mindestens 30% gefasst machen! Der Bund hat erste Massnahmen zur Verhinderung einer Strommangellage beschlossen: Einführung einer Wasserkraftreserve und von Reservekraftwerken (Öl/Gas) für den Winter 2022/23. Das Risiko einer Strommangellage ist gross und real, vor allem im Frühling 2023! Alles, was wir tun können, um Netzabschaltungen zu verhindern, wird sich auszahlen. Nach freiwilligen Sparappellen folgen auf bundesrätliche Verordnung Verbrauchseinschränkungen, Kontingentierung und schliesslich Netzabschaltungen, was zu grossen wirtschaftlichen Schäden führen würde!

 

Kurzfristig können nur Energiesparmassnahmen die Gefahr einer Mangellage abwenden. Langfristig braucht es ein Festhalten an der Energie- und Klimastrategie mittels Dekarbonisierung durch Elektrifizierung und Reduktion der Auslandabhängigkeit von fossiler Energie und Strom mittels Ausbaus heimischer erneuerbarer Energien. Auch müssen die Verhandlungen zu einem Stromabkommen CH-EU dringend wieder aufgenommen werden!

 

In den Augen von Nationalrätin Barbara Schaffner sind Parlament und Bundesrat an der drohenden Energiekrise in der Schweiz mitverantwortlich; selbstkritisch sagt «sie bringen momentan nichts zustande». Rechtsbürgerliche und linksgrüne Parteien haben mit ihrer Veto-Mentalität seit Jahren notwendige Massnahmen blockiert. Die GLP hat seit Jahren gegen grosse Widerstände den beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizient gefordert, Massnahmen welche endlich von allen mitgetragen werden.

 

Der Energie-Publizist Armin Menzi – auch persönlicher Mitarbeiter der Thurgauer Ständerätin Brigitte Häberli – fühlte mit treffenden Fragen den Referenten auf den Zahn. Ein heisses Eisen war die Frage, ob unsere Vernehmlassungsdemokratie in der gegenwärtigen Krise die richtige Staatsform sei: Alle Podiumsteilnehmer waren der Meinung, dass es straffere und schnellere Prozesse, sowie weniger Bürokratie braucht.

 

Als Geschenk erhielten alle Referierenden zum Abschluss ein «Notfall-Paket», das unter anderem auch GLP-grüne Kerzen enthielt.